Gesundheit oder Ethik?

Wenn ich auf Kaffee verzichte, weil die Säure meinem Magen nicht gut tut, kommt mir Verständnis oder allenfalls Bedauern über den mir entgehenden Genuss entgegen. Wenn ich mein Dessert ohne Schlagrahm esse, weil ich grad auf meine Linie achten will, erhalte ich etwa ein Feedback wie „wow, du bist aber sehr diszipliniert“.

Ich trinke täglich gerne Kaffee und erlaube mir ohne schlechtes Gewissen meine Desserts mit Schlagrahm. Die Milch in meinem Latte Macchiato ist pflanzlich und der Schlagrahm ebenfalls. Nein, ich hab keine Laktoseintoleranz. Ich ernähre mich vegan, weil es mir unethisch erscheint, Tiere zu züchten, um aus ihnen in einem lebenslangen schwängern-gebären-töten-Kreislauf das Maximum rauszuholen, damit ich etwas Tiermilch in meinen Latte oder ein paar Speckwürfelchen über meinen Salat schütten kann.

Und plötzlich bin ich nicht mehr diszipliniert, sondern extrem, intolerant, missionierend, radikal. Dieser Unterscheidung in der Begrifflichkeit nachzugehen, finde ich spannend und aufschlussreich.

Wenn ich aus gesundheitlichen Gründen etwas nicht konsumiere, ernte ich weitgehend Verständnis und Respekt. Warum? Ich tue es für mich, für meine Gesundheit. Es ist also ausschliesslich mein Problem und nicht das der Anderen. Mein Egoismus wird respektiert, denn ich tue etwas für meine Gesundheit.

Jede/r weiss, dass es kein Fleisch von glücklichen, sondern nur von toten Tieren gibt. Wer Fleisch isst, muss es also grundsätzlich OK finden, dass dafür Tiere getötet werden. Wer Kuhmilchprodukte konsumiert, ist sich bewusst, dass diese dem Menschen von Natur aus nicht zugänglich sind, es sei denn, die Kälber werden der Mutter weggenommen. Wenn ich demnach aus Empathie auf bestimmte Nahrungsmittel verzichte, weil ich problemlos auch mit pflanzlichen Produkten Genuss und Freude am Kochen und Essen habe, nebenbei noch bemerke, dass dies meinem Körper und meiner Seele gut tut und also meiner ganzheitlichen Gesundheit, dann ernte ich bisweilen Kritik oder mitleidiges Unverständnis. Eine Freundin hat mir, als sie erfahren hat, dass ich vegan lebe, unterstellt, ich wolle sie provozieren. Als ich verneinte, meinte sie gar, ich sei nicht ehrlich. Warum? Es steht mir nicht zu, anderen zu sagen, was sie tun oder lassen sollen. Wird meine extreme Empathie als indirekte Kritik an ihrem Verhalten empfunden?

Meine sympathische, äusserst kreative, engagierte und lebensfrohe Bekannte Sandra Weber schreibt jeweils eine Kolumne im Reformhaus-Magazin „oliv“ und hat sich in der aktuellen Ausgabe eben dieser Frage gewidmet.image

Liebe Sandra, vielleicht hast du die Antwort ja für dich auch gefunden. Ich finde deinen Weg und dein Tun jedenfalls bemerkenswert und dein VLOWERS-Magazin wunderbar! Auch hoffe ich, dass der Weg vom Bieler Seeland nach Zürich zu deinem sonntäglichen Frühstückscafé mal etwas kürzer wird… 😉 Keep going the great work 👍

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Alles OK??

Alles OK??

 

Bild: „My Kitchn“, Paris

Warum muss man sich eigentlich rechtfertigen, wenn man sich vegetarisch oder vegan ernährt???

Übrigens: Ich bezeichne mich als ausgesprochen nicht langweilige Person. Ich trinke gerne Wein und Bier. Ich lache gerne und viel. Ich bin allen Freuden im Leben zugetan, die anderen kein Leid zufügen…